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Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer am Spiegelgrund

In den Jahren 1940 bis 1945 trug sich das wohl schwärzeste Kapitel in der Medizingeschichte Wiens zu. Am Spiegelgrund, am Gelände der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof wurden insgesamt 772 Kinder und Jugendliche systematisch ermordet, weil sie als „bildungsunfähig“ und „Dauerkosten verursachend“ angesehen wurden. Viele weitere wurden grausam missbraucht, zwangssterlisiert und gefoltert. Psychiater*innen waren Ausführende der Gräueltaten.

Im Vorfeld des Weltpsychiatriekongresses zwischen dem 28. September und dem 1. Oktober gedachten hochrangige Vertreter*innen der Weltpsychiatrieorganisation (WPA), der Wiener Politik und der medizinisch-psychiatrischen Versorgung den Opfern der Verbrechen im Rahmen einer Gedenkveranstaltung.

Nicht nur die Psychiatrie, auch die Stadt und ihre Verwaltung dürfen niemals vergessen, welche grausamen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen hier verübt wurden. Die Aufarbeitung und das Gedenken sind ein stetiger Prozess, der auch immer wieder in die breite Gesellschaft getragen werden muss, um auch immer wieder zu erneuern.

Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien

Der Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, Ewald Lochner, verwies in seiner Rede auf die Präambel der Statuten der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP), die sich dazu verpflichtete – gerade wegen der historischen Verstrickung der Psychiatrie in Misshandlungen, Zwangssterilisationen und Krankenmorde und deren mangelhafte Aufarbeitung nach 1945 – alles in der Macht stehende tun müsse, dass sich dergleichen nicht wiederholt. „Nicht nur die Psychiatrie, auch die Stadt und ihre Verwaltung dürfen niemals vergessen, welche grausamen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen hier verübt wurden. Die Aufarbeitung und das Gedenken sind ein stetiger Prozess, der auch immer wieder in die breite Gesellschaft getragen werden muss, um auch immer wieder zu erneuern“, so Lochner.

Gesundheits- und Sozialstadtrat Peter Hacker wies in seiner Rede auf die Sprachlosigkeit hin, die eine*n beim Gedanken an verübten Verbrechen befällt. Er betonte aber auch, dass die Taten nicht von einem Moment auf den anderen entstanden, sondern auf einer langen Vorgeschichte beruhe. Darum sei es umso wichtiger, bei jeglichem Aufkeimen eines solchen Verbrechens, klar Widerstand zu leisten.

Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler betonte: „Das Mahnmal erinnert mit seinen 772 Lichtstelen an alle Kinder- und Jugendliche, die am Spiegelgrund Opfer der Ideologie der nationalsozialistischen ‚Rassenhygiene‘ wurden. Diese Verbrechen der NS-Medizin und die damit einhergegangenen so genannten ‘Euthanasieprogramme’ erinnern uns auch daran, dass sich die Wissenschaft in dieser dunkelsten Zeit der österreichischen Geschichte der Komplizenschaft mit dem Regime schuldig gemacht hat – ein Tiefpunkt der Wissenschaftsgeschichte. Orte des Gedenkens sind wichtig, denn sie mahnen uns, unser Handeln immer wieder nach ethischen Prinzipien auszurichten.“

Der aktuelle Präsident des Weltpsychiatrieverbandes, Afzal Javed, dankte den Organisator*innen für die Veranstaltung. Sie habe, so Javed, nicht nur eine Bedeutung im Sinne des Gedenkens, sondern ist vor allem auch als ein Auftrag zu verstehen. Ein Auftrag dahingehend, alles in der Macht Stehende für die Hilfe der Patient*innen zu tun.

Norman Sartorius, ehemaliger Präsident des WPA wies darauf hin, dass auch nach dem 2. Weltkrieg lange Zeit Unterscheidungen zwischen Menschen gemacht wurden. In offiziellen Papieren seien etwa Frauen, Kinder oder Personen unterschiedlicher Ethnien oftmals nicht mitgemeint gewesen. Es war und sei immer noch ein langer Prozess, den es tagtäglich zu kämpfen gilt.  

Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien, betonte, dass oftmals Druck von außen notwendig sei, um Veränderungen und Verbesserungen herbeizuführen. Auch wenn es nicht immer angenehm sei, ist es notwendig, dass der Finger auf die Wunden gelegt werde und Umdenkprozesse eingeleitet werden.

Nach den Ansprachen legten die Redner*innen begleitet vom Streichquartett Adamas Quartett Blumen im Gedenken an die Opfer vom Spiegelgrund ab. 

Fotos: © Elisabeth Mandl

Im Notfall: 01 31330